Artikel zum Thema Landwirtschaft

Zum Valentinstag und danach: Blumen umweltverträglich FAIRschenken (Veranstaltung am 12.02.2010)

Zum Valentinstag und danach: Blumen umweltverträglich FAIRschenken

Um den Valentinstag herrscht jedes Jahr Hochkonjunktur im Blumenhandel – wer freut sich nicht über einen bunten, duftenden Strauß? Dass die meisten Blumen gerade zur winterlichen Jahreszeit nicht in unserer Region wachsen, wird dabei leicht vergessen.

Leider haben der Anbau und Handel von Blumen auch eine dunkle Seite. In den Entwicklungsländern werden Blumen für unseren Markt oft unter menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen angebaut und über Tausende von Kilometern transportiert. Auch in Europa ist ein umweltschonender Anbau von Zierpflanzen noch kein Standard. Doch es gibt Möglichkeiten, durch Aufmerksamkeit beim Blumenkauf etwas gegen diese Missstände zu tun. Auf der Veranstaltung wird vorgestellt, wie Sie besser Blumen kaufen können. Welche umweltfreundlich angebauten Pflanzengibt es in der Region? Was sind fair gehandelte Blumen und wie kann man sieim Handel erkennen?

Diese und andere Fragen waren Gegenstand der  Film-, Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Angelika Schaffrath Rosario (FIAN Berlin) am Freitag, den 12. Februar 2010 in Schulzendorf bei Berlin, die von Cornelia Behm MdB (Bündnis 90/Die Grünen) und Elisa Biowelt veranstaltet wurde.

Mehr Infos zum Thema sind online hier zu finden.

Hintergrundinformationen von FIAN Deutschland zum tragischen Pestizid-Tod eines Blumenarbeiters am 07. Januar 2010 in Uganda und die dazugehörige Eilaktion. Bitte beteiligen Sie sich/ beteiligt euch! Sie ist auch jetzt (September 2010) noch aktuell, weil darin auch die Durchführung von Tarifverhandlungen gefordert wird und die Tarifverträge bis heute noch nicht abgeschlossen sind.

Industrialisierung stoppen! Klima und Bauern retten! FIAN auf der Grünen Woche

Anlässlich des Internationalen Agrarministerpodiums, das am 16.01.2010 im Rahmen der Grünen Woche stattfand, hat FIAN die Besucherinnen und Besucher vor Ort über klimaschädliche und menschenrechtsverletzende Aspekte der globalisierten Landwirtschaft informiert und von den teilnehmenden Agrarminister_innen ein Umdenken gefordert.

Alle Forderungen im Einzelnen (öffnet den Flyer als pdf-Datei)

Jatropha – der Wunderbusch? FIAN Berlin betreut neuen Fall in Indien

Längst sind Agrarkraftstoffe in die Kritik geraten, weil die Pflanzen, aus denen sie gewonnen werden, wertvolles Ackerland und Weideflächen vereinnahmen, die zur Versorgung der Menschen in den Produktionsländern dringend gebraucht würden. Dann plötzlich die scheinbare Lösung: Die Purgiernuss. Sie kann auch auf ausgelaugten Böden und ohne regelmäßige Niederschläge überleben, weshalb eine Flächenkonkurrenz zu Nahrungsmitteln angeblich nicht bestehe.

Die unter dem Fachnamen Jatropha curcas bekannte Pflanze stammt ursprünglich aus Mittelamerika, breitete sich durch Seefahrer jedoch bis nach Südamerika, Afrika und Asien aus und gilt heute als eine der effektivsten technisch nutzbaren Pflanzen. Diesen Ruf hat sie freilich nicht ihrer lokalen Nutzung als Abführmittel, für Seifen und Öllampen zu verdanken, sondern der Tatsache, dass aus dem Öl der giftigen Pflanze Agrartreibstoff gewonnen werden kann.

Jatrophaanbau in Indien

In Indien wird Jatropha schon seit Langem angepflanzt. Einerseits werden aus der Pflanze Dinge für den alltäglichen Gebrauch wie z. B. Lampenöl gewonnen, andererseits dient die Pflanze als Begrenzung für Weizen- und Reisfelder.

Wie in vielen Industrie- und Schwellenländern ist auch in Indien die Endlichkeit der Kraftstoffreserven als Problem erkannt worden. Die indische Regierung setzt daher frühzeitig auf so genannte erneuerbare Energien: Bis 2017 soll die Beimischungsquote von 20% erreicht werden. Angetrieben von dem Ziel, möglichst bald weitgehend unabhängig von Kraftstoffimporten zu sein, hat sich Indien zum weltweit größten Produktionsland von Pflanzenölen entwickelt. Dabei setzt auch das staatliche Biofuel Board des indischen Bundesstaates Uttarakhand besonders auf Jatropha .
Aufgabe des Biofuel Board ist es, die Gewinnung von Agrartreibstoffen zu fördern. Einerseits sollen bäuerliche Haushalte überzeugt werden, Pflanzen anzubauen, aus denen Treibstoffe gewonnen werden können. Dies soll vor allem mit Hilfe von Verträgen über Saatgutlieferungen und eine gesicherte Abnahme der Ernte gefördert werden. Andererseits wird der Agrartreibstoffsektor dadurch gefördert, dass entsprechende Energiepflanzen auf staatlichen Flächen, auf Waldfläche oder auf öffentlichem Gemeindeland (Panchayat land) angebaut werden.

Aktuell werden Regionalverwaltungen damit beauftragt, degradierte und qualitativ minderwertige Flächen zu ermitteln, die an Unternehmen, Dorfgemeinschaften und Gruppen verpachtet werden sollen, um Jatropha anzubauen. Diese Vorgänge beruhen auf dem Mythos, Jatropha könne auch ohne fruchtbares Land und mit wenig Wasser ertragreich angebaut werden. Tatsächlich braucht auch der Jatrophabusch ausreichend Nährstoffe und Wasser, um gute Erträge zu liefern. Selbst beim Anbau unter guten Bedingungen – beispielsweise auf den gut bewässerten und gedüngten Versuchsflächen des International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics (ICRISAT) – dauert es jedoch etwa fünf Jahre bis zur Ernte der für den Agrartreibstoffproduktion verwendeten Jatropha-Nüsse. So warnt auch der Leiter der Jatrophaversuche am ICRISAT, Dr. Suhar P. Wani, davor, die Wirtschaft habe die Wissenschaft überholt. Um wirklich sicher zu gehen, dass der Anbau von Jatropha als Treibstoffquelle nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht, brauche es zunächst ausgiebige Forschung.

Diese Warnungen werden ignoriert. Einen klaren Ausschluss der Gebiete, die sich für Beweidung und Nahrungsmittelanbau eignen, geben die Bestimmungen, die der Landsuche der Regionalverwaltungen zu Grunde liegen, nicht her. Dreizehn Millionen Hektar so genanntes „wasteland“ (marginale Flächen) will der indische Staat gefunden haben. Auf dieser Fläche sollen in den kommenden Jahren Agrartreibstoffpflanzen angebaut werden. Das grundsätzliche Problem ist die Frage nach der Kategorisierung von Land in Indien. Waldgebiete dürfen explizit nicht als Ackerland benutzt werden. Diese Bestimmungen werden jedoch oft übergangen. Alternativ werden die Energiepflanzen als Bäume und somit als Wald definiert. Eine klare Definition und Eingrenzung des Begriffs „wasteland“ gibt es in Indien bisher nicht. So kommt es zu Landrechtskonflikten und Vertreibungen. Viele der 170 Mio. Landlosen in Indien, die auf die öffentlichen Gemeindeflächen angewiesen sind, um dort Brennholz zu sammeln oder ihr Vieh dort weiden zu lassen, sind von der Jatropha-Förderpolitik der indischen Regierung bedroht. Der Ausverkauf dieser Flächen für den Anbau von Jatropha hat fatale Konsequenzen für die Menschen. Hinzu kommt die Verschuldung kleinbäuerlicher Haushalte, die sich auf den Anbau von Jatropha einlassen, da die Pflanzen oft erst nach mehreren Jahren erste Erträge bringen.

Nicht nur die Eigenversorgung mit Agrartreibstoffen ist erklärtes Ziel der indischen Regierung. Auch ausländische Konzerne, die für den Export produzieren, kommen unter der indischen Agrartreibstoffpolitik auf ihre Kosten. So strebt beispielsweise das britische Unternehmen D1 Oil die Verarbeitung für den Weltmarkt an und setzt neben Pflanzungen in Afrika und Südamerika auch auf umfangreichen monokulturellen Anbau von Energiepflanzen in der Mehrzahl der 28 Bundesstaaten Indiens. Auch Archer Daniels Midland (ADM) aus den USA arbeitet zusammen mit seinem indischen Partner Tinna Oils & Chemicals Ltd. an der Herstellung von Jatropha-Diesel. Weitere Kooperationspartner von ADM sind die Daimler AG und Bayer CropScience, letztere Firma vor allem bei der Erforschung und Herstellung von Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden für den Jatrophaanbau. Ein weiterer Investor in den großflächigen Anbau der Jatrophapflanze ist das Unternehmen IKF Green Fuel, ein Tochterunternehmen der IKF Technologies aus Frankfurt/Main. Zusammen mit lokalen Firmen arbeitet IKF Green Fuel in den nordindischen Bundesstaaten Jarkhand und Orissa an Jatropha-Anpflanzungen auf 30.000 Hektar bis Ende 2009. Auch in weiteren 14 Bundesstaaten sind der Anbau und die Verarbeitung von Jatropha geplant.

Menschenrechtsverletzungen in Joligrant

Der Ort Joligrant liegt in Uttarakhand, einem relativ neuen Bundesstaat im Norden Indiens, der noch bis 2000 zu Uttar Pradesh gehörte. Die Bewohner/innen des Dorfes leben hauptsächlich von Viehhaltung zur Milchproduktion. Seit 2007 fördert die Regierung in Uttarakhand den Jatrophaanbau, v. a. in Waldgebieten. Das Dorf Joligrant verfügt über 767,5 ha landwirtschaftlich genutztes Land, 20 ha von der gewählten Gemeindeführung (Gran Panchayat) verwaltetes öffentliches Gemeindeland und 30 ha Waldgebiet. Sowohl auf den Gemeindeflächen als auch auf bisherigem Waldgebiet wurde Jatropha angepflanzt. Das Waldgebiet des Dorfes ist für das Leben der Menschen von Bedeutung, da es Feuerholz liefert und als Weidefläche besonders dem Vieh derer Weideflächen bietet, die nicht über eigenes Land verfügen. Letzteres gilt auch für das öffentliche Gemeindeland.

Aufgrund der negativen Auswirkungen auf ihre Lebensweise und ihre Nahrungsmittelversorgung hatten sich einige Dorfbewohner an FIAN Uttar Pradesh gewandt, um Unterstützung zu erhalten. Um auch über die Grenzen Indiens hinaus, in Deutschland – einem der Hauptimportländer von Agrartreibstoffen – ein Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Tankfüllungen in Industrieländern und Menschenrechts-verletzungen in Entwicklungsländern zu schaffen, hat die Berliner FIAN-Gruppe die Betreuung des Falls übernommen.
Die Forderungen, in denen FIAN die Dorfbewohner/innen unterstützt, sind:

  • Zugang zum Waldgebiet und zu den Gemeindeweideflächen
  • Keine Gefährdung der Ernährungssicherheit der Bevölkerung durch Jatrophaanbau
  • Entschädigung für die Familien, die bereits betroffen sind

10.000 Unterschriften gegen Landraub überreicht!

Am 12.11.2009 haben VertreterInnen verschiedener Organisationen (darunter FIAN) 10.000 Unterschriften an die kolumbianische Botschafterin überreicht. Sie protestierten damit gegen die gewaltsame Vertreibung von zehntausenden Menschen in Kolumbien zu Gunsten von Palmölplantagen. Das Video dokumentiert die Postkartenübergabe und gibt Details zur Lage in Kolumbien. Zur Pressemitteilung zur Aktion von INKOTA hier klicken.

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Welternährungstag 2009

Als Nachschlag zum Welternährungstag, der wie jedes Jahr am 16.10. begangen wurde, luden SODI – Solidaritätsdienst International e.V. – und die FIAN-Gruppe Berlin am 28.10.09 um 20 Uhr zum Filmabend ins Z-inema (Bergstraße 2, 10115 Berlin) ein. Vor dem Film gab es ein kurzes Gespräch zwischen SODI und FIAN über das Menschenrecht auf Nahrung und was zu seiner Umsetzung gegen Industrie- und Freihandelsinteressen getan werden muss.

Infos zum Film: Monsanto – Mit Gift und Genen Genetisch veränderte Lebensmittel sind sicher. Das sagen die Hersteller-Firmen. Marie-Monique Robins brilliante Recherche über den Biotechnologie-Konzern Monsanto untersucht, wie die „wissenschaftlichen Beweise“ für diese Behauptung zu Stande kommen. Der Dokumentarfilm erkundet das Reich des US-amerikanischen Konzerns „Monsanto Chemical Works“, dem weltweiten Marktführer für Biotechnologie. Dem Engagement auf diesem Gebiet verdankt „Monsanto“ auch, dass es zum umstrittensten Unternehmen des modernen Industriezeitalters wurde, stellte es doch das im Vietnamkrieg zu trauriger Berühmtheit gelangte Herbizid „Agent Orange“ her. Heute sind 90 Prozent der angebauten gentechnisch veränderten Organismen „Monsanto“-Patente. Monsanto treibt Kleinbauern mit Patenten auf Saatgut und hohen Lizengebühren in Abhängigkeiten – bis hin zum finanziellen Ruin. Der Dokumentarfilm stützt sich auf bisher unveröffentlichte Dokumente und auf Stellungnahmen von Wissenschaftlern, Vertretern von Bürgerinitiativen, Geschädigten, Rechtsanwälten, Politikern sowie Vertretern der staatlichen Food and Drug Administration (FDA). Dokumentation Frankreich (2008)

Regie: Marie Monique Robin Sprache: Deutsch

Spieldauer: 107 Minuten

Kundgebung zum Tag der Landlosen

Hier zwei Bilder von unserer Kundgebung zum Tag der Landlosen (draufklicken, um sie in voller Größe zu betrachten) – einer Aktion vor der paraguayischen Botschaft zur Unterstützung der Forderung auf Landrechte des Volkes der Sawhoyamaxa. Mehr dazu

Tag der Land­lo­sen 2009 Tag der Land­lo­sen 2009

FIAN auf der Berlinale

Am 8. Februar 2009 feierte der Dokumentarfilm FOOD Inc. im Rahmen des Kulinarischen Kinos der Berlinale seine Europapremiere und FIAN war dabei! Vor dem Friedrichstadtpalast verteilten wir Infomaterial zu dem Menschenrecht auf Nahrung und zur Face-It-Act-Now-Kampagne, um die Zuschauer inhaltlich auf den bevorstehenden Film einzustimmen. Dieser thematisiert die Diskrepanz zwischen Image und Realität der Nahrungs-mittelproduktion am Beispiel der Fast-Food-Industrie in den USA. In dem Film werden Themen wie genmanipuliertes Saatgut, mit Medikamenten versetztes Tierfutter und hormon¬behandeltes Mastvieh angesprochen und die Verwicklungen der Nahrungs-mittelkonzerne mit der Politik aufgedeckt. Nach der Vorführung diskutierten u.a. die Produzenten, Renate Künast, Carlo Petrini (der Begründer von Slow Food) und Gael García Bernal angeregt miteinander und forderten die Politik, aber auch den KonsumentInnen dazu auf, verantwortlich zu handeln. Ihren Ausklang fand die Eröffnung der Kulinarischen Woche dann schließlich bei einem vegetarischen Kürbisstew (natürlich alles aus regionalen Zutaten!) vom Spitzenkoch Tim Raue.

Agrarhandel und das Recht auf Nahrung – Milchpolitik auf dem Prüfstand

EPAs MilchpolitikSo lautete der Titel einer Veranstaltung, die anlässlich des Welternährungstags am 14. Oktober 2008 bei der gtz in Kooperation mit FIAN stattfand. Nach einem sehr einseitig agrarökonomisch ausgerichteten Einführungsvortrag von Prof. Dr. Harald von Witzke von der Humboldt-Uni hatten die von FIAN eingeladenen Gäste aus Sambia die Möglichkeit, die Situation der Milchbauern in Sambia darzustellen und ihre Befürchtungen im Hinblick auf die EU-Handelspolitik zu Gehör zu bringen.

Die Vertreter aus Sambia waren John Mwemba, der Vizevorsitzende der sambischen Magoye Dairy Cooperative, und Angela Mulenga, Handelsexpertin der Consumer Unity and Trust Society (CUTS). An der Podiums¬diskussion nahmen weiterhin Armin Paasch (FIAN Deutschland), Jürgen Meenke vom Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM) und ein Vertreter des Bauern¬verbands teil. John Mwemba stellte mit zahlreichen Fotos die Arbeit der sambischen Milchkooperative vor, die den Bauern vor Ort ein bescheidenes, aber regelmäßiges Einkommen beschert. Dieses Einkommen wäre jedoch bedroht, wenn Sambia sich im Zuge der von der EU gewünschten Freihandelsabkommen europäischen Milcheinfuhren öffnen müsste. Denn John Mwemba und seine Kollegen haben keine Hochleistungskühe im hypermodernen Stall stehen, sondern halten ihre genügsamen Kühe auf einer Weide, wo sie z.B. dem mit den Jahreszeiten wechselnden Futterangebot ausgesetzt sind und so in der Trockenzeit deutlich weniger Milch geben als in der Regenzeit.

Zum Schluss der Veranstaltung überreichte Jürgen Meenke John Mwemba eine schwarz-rot-gold gestreifte Plastikkuh mit der Aufschrift „Die gerechte Milch“, dem Aktionssymbol des BDM, was John Mwemba auf der Heimreise noch gewisse logistische Probleme bereitete …

Zwei Tage später war John Mwemba noch einmal in Berlin, um auf der „Milchparade“ des BDM mitzudemonstrieren und zu sprechen.

Bericht in der Frankfurter Rundschau:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wirtschaft/aktuell/?em_cnt=1613358&

Kritischer Besuch bei der Konrad-Adenauer-Stiftung

Am 24./25. April 2008 veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit der Deutsch-Brasilianischen Gesellschaft ein Symposium zum Thema „Kriminalität und Gewalt als Herausforderungen für die Demokratie in Brasilien“. Erster eingeladener Redner aus Brasilien war eben jener Paulo Sette Câmara, der als Staatssekretär für Öffentliche Sicherheit in Pará für das Massaker von Eldorado dos Carajás verantwortlich gewesen war, an das wir mit den Aktionen zum Tag der Landlosen exakt eine Woche vorher erinnert hatten.

FIAN unterstützte mit einer Pressemitteilung die an die Konrad-Adenauer-Stiftung gerichtete Protestnote von Bischof Dom Xavier Gilles, Präsident der brasilianischen Landpastorale (Comissão Pastoral da Terra CPT). Die Berliner FIAN-Gruppe war mit 2 Mitgliedern vor Ort, nahm an der Veranstaltung teil und verteilte die Pressemitteilung vor dem Eingang zum Tagungshotel. Sie wurde von vielen Teilnehmern mit Interesse entgegengenommen, einige unterstützten uns explizit.

Durch eine Pressemitteilung des FDCL (Forschungs- und Dokumentatioszentrum Lateinamerika), der KoBra (Koordination der Brasilien-Solidaritätsgruppen) und den Amigos do MST (Freunde der Landlosenbewegung), die einige Tage vorher rauskam, war das Thema einigen schon bekannt und hatte auch Rückhall in der Presse gefunden (mehr dazu unter http://fdcl-berlin.de/index.php?id=1400). Man merkte denn auch während der Veranstaltung, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung das Thema zwar nie explizit ansprach, sich aber ständig verteidigte: Man wolle ja keinen historischen Blick zurück werfen, sondern in die Zukunft blicken – die Überlebenden des Massakers haben aber heute noch mit den Erinnerungen zu kämpfen, die versprochene staatliche Unterstützung finanzieller Art ist ausgeblieben und es gibt Familien, die durch das Massaker ihren Ernährer verloren haben. Angesichts der schwierigen sozialen und politischen Lage in Brasilien sei es wichtig, mit den Vertretern der relevanten Institutionen in Brasilien in Dialog zu treten und die Polizeiarbeit zu verbessern.

Das ist von uns ja auch nie kritisiert worden, aber ein offener Dialog muss auch den Finger in die bestehenden Wunden legen. Zur Stärkung der Demokratie in Brasilien braucht es vor allem eine Ende der Gewalt und der Kriminalisierung gegen die sozialen Bewegungen und Menschenrechtsverteidiger, sowie die Überwindung der herrschenden Straflosigkeit.

Sette Câmara selbst zeigte immerhin, dass es ihm peinlich war, durch Fragen von uns und einer Journalistin auf seine Verantwortung für das Massaker angesprochen zu werden. In seinem Vortrag behielt er jedoch eine sehr kritische Haltung zu den sozialen Bewegungen, die zwar berechtigte Forderungen verträten, aber den Bogen seiner Meinung nach oft überspannten und die öffentliche Ordnung störten. Kein Wort davon, dass das Erregen öffentlicher Aufmerksamkeit in den Medien das einzige „Macht“mittel ist, dass die sozialen Bewegungen in Brasilien im Kampf gegen eine kleine Machtelite haben, die ihre Interessen leider immer noch sehr effektiv durchsetzen kann.

Laut Sette Câmara hat die Polizei aus dem Massaker von Eldorado dos Carajás gelernt – das wäre ja zumindest ein kleiner Lichtblick für die Zukunft. Um den Zugang zu Land und angemessener Ernährung für die Landlosen und Kleinbauern in Brasilien sicherzustellen, bräuchte es aber neben dem Verzicht auf Polizeigewalt noch eine aktivere Rolle des brasilianischen Staates bei der Durchsetzung der Agrarreform.

Tag der Landlosen 2008

Am 17. April 1996 wurden in Brasilien 19 Landarbeiter nahe der Stadt Eldorado dos Carajás im Bundesstaat Pará von Polizisten erschossen, 81 Personen wurden verletzt. Die Personen waren TeilnehmerInnen des „Marsches für eine Agrarreform“, der am 10. April von 1.500 Familien landloser ArbeiterInnen ins Leben gerufen wurde. Die Protestierenden blockierten dabei die Bundesstraße PA-150. Der Staatssekretär für öffentliche Sicherheit von Pará, Paulo Sette Câmara, erteilte daraufhin am 17. April 1996 an die Polizei die Anweisung, „unter Anwendung notwendiger Mittel, inklusive Schusswaffengebrauch“ die Bundesstraße PA-150 von den Demonstranten zu räumen. Seit diesem Massaker wird jährlich der 17. April als „Tag der Landlosen“ in Erinnerung an die Opfer weltweit begangen.

La Via Campesina ist eine weltweite Vereinigung von Kleinbauern und –bäuerinnen, die für ihre Rechte kämpfen. FIAN und Via Campesina haben 1999 gemeinsam die Globale Kampagne für die Agrarreform gestartet. Der Indonesier Henry Saragih, Vorsitzender von Via Campesina, ist von der britischen Tageszeitung The Guardian im Januar als eine der „50 Personen, die die Erde retten könnten“ ausgezeichnet worden.

Gleich mit zwei Veranstaltungen hat sich die Berliner FIAN-Gruppe dieses Jahr an den Aktionen zum Tag den Tag der Landlosen beteiligt. Beide Aktionen – eine Informationsveranstaltung am Abend des 16.04.06 und eine Straßenaktion am 17.04. – richteten sich in diesem Jahr gegen den agroindustriellen Anbau von Agrotreibstoffen, sogenanntem Biosprit, der häufig zu Vertreibung von Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Landlosen führt.

Gemeinsam mit Inkota, FDCL und Blue21 lud FIAN zu einem Abend mit Film und Diskussion ein. Mit über 100 BesucherInnen war das Kreuzberger L.U.X. an diesem Abend gut gefüllt. Der Film „Fette Beute – Indonesiens Palmöl-Wüste“ zeigt die Auswirkungen von Palmölanbau auf Kleinbauern und -bäuerinnen, Landlose und Indigene. Diese Gruppen sind von Verdrängung durch die Palmölplantagen bedroht. Ohne Land als Lebensgrundlage für den Anbau ist ihr Menschenrecht, sich zu ernähren, verletzt. Zudem werden für den Palmölanbau riesige Flächen des indonesischen Regenwalds vernichtet.

Tag der Landlosen 2008

Menschenrechtliche und ökologische Probleme ergeben sich aus dem Anbau von Agrotreibstoffen nicht nur in Indonesien, sondern auch in afrikanischen Staaten, wie Sandra Schuster von BLUE 21 aufzeigte. Dennoch wird Agrosprit derzeit als die ultimative Lösung gehandelt, wenn es darum geht, den Ausstoß von Kohlendioxid zu mindern. Auch die Bundesregierung und die EU halten an ihren Beimischungszielen fest – auch wenn Menschenrechts- und Umweltorganisationen seit langem darauf hinweisen, dass eine nachhaltige Produktion von Agrosprit kaum zu realisieren ist und ein Moratorium für den Import fordern. Film und Diskussionsbeiträge von Blue21, Inkota und FIAN machten deutlich, dass Biosprit keine Lösung für den Klimawandel sein kann – weder aus menschenrechtlicher noch aus ökologischer Perspektive. Im Anschluss an eine lebhafte Diskussion ließen BesucherInnen und VeranstalterInnen den Abend bei Musik von The Beez ausklingen.

Am nächsten Morgen ging es in ähnlicher Besetzung und mit regem Interesse seitens der Presse gleich weiter – diesmal mit einer Straßenaktion an einer Kreuzberger Tankstelle. In strömendem Regen tanzten die Puppen gegen Agrosprit, angefeuert durch die Samba-Klänge der Rythms of Resistance. AutofahrerInnen wurden mit frischem Biobrot bedacht – unter der Devise „Getreide auf den Tisch statt in den Tank“. Vom Dach eines benachbarten Hauses ließen Kletterer ein Banner herunter, das unübersehbar machte, was ohnehin offensichtlich ist: Biosprit macht Hunger!

Ein kurzer Demonstrationszug durch Kreuzberg führte zum Heinrichplatz, wo unter Pavillons Musik und VoKü von Food for Action für Wärme sorgten. Trotz strömendem Regen freuten sich noch ca. 30 Menschen an Essen, Informationen und einem Dach über dem Kopf.

Eine Publikation von FIAN International zum Thema Agrosprit in Lateinamerika findet sich hier (auf Spanisch)