Kritischer Besuch bei der Konrad-Adenauer-Stiftung

Am 24./25. April 2008 veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit der Deutsch-Brasilianischen Gesellschaft ein Symposium zum Thema „Kriminalität und Gewalt als Herausforderungen für die Demokratie in Brasilien“. Erster eingeladener Redner aus Brasilien war eben jener Paulo Sette Câmara, der als Staatssekretär für Öffentliche Sicherheit in Pará für das Massaker von Eldorado dos Carajás verantwortlich gewesen war, an das wir mit den Aktionen zum Tag der Landlosen exakt eine Woche vorher erinnert hatten.

FIAN unterstützte mit einer Pressemitteilung die an die Konrad-Adenauer-Stiftung gerichtete Protestnote von Bischof Dom Xavier Gilles, Präsident der brasilianischen Landpastorale (Comissão Pastoral da Terra CPT). Die Berliner FIAN-Gruppe war mit 2 Mitgliedern vor Ort, nahm an der Veranstaltung teil und verteilte die Pressemitteilung vor dem Eingang zum Tagungshotel. Sie wurde von vielen Teilnehmern mit Interesse entgegengenommen, einige unterstützten uns explizit.

Durch eine Pressemitteilung des FDCL (Forschungs- und Dokumentatioszentrum Lateinamerika), der KoBra (Koordination der Brasilien-Solidaritätsgruppen) und den Amigos do MST (Freunde der Landlosenbewegung), die einige Tage vorher rauskam, war das Thema einigen schon bekannt und hatte auch Rückhall in der Presse gefunden (mehr dazu unter http://fdcl-berlin.de/index.php?id=1400). Man merkte denn auch während der Veranstaltung, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung das Thema zwar nie explizit ansprach, sich aber ständig verteidigte: Man wolle ja keinen historischen Blick zurück werfen, sondern in die Zukunft blicken – die Überlebenden des Massakers haben aber heute noch mit den Erinnerungen zu kämpfen, die versprochene staatliche Unterstützung finanzieller Art ist ausgeblieben und es gibt Familien, die durch das Massaker ihren Ernährer verloren haben. Angesichts der schwierigen sozialen und politischen Lage in Brasilien sei es wichtig, mit den Vertretern der relevanten Institutionen in Brasilien in Dialog zu treten und die Polizeiarbeit zu verbessern.

Das ist von uns ja auch nie kritisiert worden, aber ein offener Dialog muss auch den Finger in die bestehenden Wunden legen. Zur Stärkung der Demokratie in Brasilien braucht es vor allem eine Ende der Gewalt und der Kriminalisierung gegen die sozialen Bewegungen und Menschenrechtsverteidiger, sowie die Überwindung der herrschenden Straflosigkeit.

Sette Câmara selbst zeigte immerhin, dass es ihm peinlich war, durch Fragen von uns und einer Journalistin auf seine Verantwortung für das Massaker angesprochen zu werden. In seinem Vortrag behielt er jedoch eine sehr kritische Haltung zu den sozialen Bewegungen, die zwar berechtigte Forderungen verträten, aber den Bogen seiner Meinung nach oft überspannten und die öffentliche Ordnung störten. Kein Wort davon, dass das Erregen öffentlicher Aufmerksamkeit in den Medien das einzige „Macht“mittel ist, dass die sozialen Bewegungen in Brasilien im Kampf gegen eine kleine Machtelite haben, die ihre Interessen leider immer noch sehr effektiv durchsetzen kann.

Laut Sette Câmara hat die Polizei aus dem Massaker von Eldorado dos Carajás gelernt – das wäre ja zumindest ein kleiner Lichtblick für die Zukunft. Um den Zugang zu Land und angemessener Ernährung für die Landlosen und Kleinbauern in Brasilien sicherzustellen, bräuchte es aber neben dem Verzicht auf Polizeigewalt noch eine aktivere Rolle des brasilianischen Staates bei der Durchsetzung der Agrarreform.