Artikel zum Thema Indien

Eilaktion: Tagebau bedroht Indigene in Indien

Die Expansionen der Bergbaugesellschaft Central Coalfields Limited (CCL) gefährden das Überleben von 1000 Indigenen in Kusum Tola, einem Dorf in der nördlichen Karanpura Region im indischen Bundesstaat Jharkhand. Schwere Sprengungen in benachbarten Dörfern produzieren jetzt schon schädliche Staubwolken und führen zu Rissen in den Häusern von Kusum Tola. Die Vertreibung ist ein schwerer Verstoß gegen das Recht auf Nahrung der Dorfbewohner. Außerdem wird der Tagebau den Dorfbewohnern den Zugang zu Wasser nehmen. Dies ist ein Verstoß gegen deren Recht auf Wasser. Durch den Tagebau werden die Menschen in ihrer Existenz bedroht, was Hunger und Unterernährung zur Folge haben wird.

Hintergrundinformationen und Musterbrief zum Mitmachen gibt es hier als PDF.

Die Situation in Kusum Tola bleibt angespannt. FIAN hat seine Eilaktion zu diesem Fall im Juni gestartet. Die Vertreibung der Betroffenen kann jederzeit geschehen, bislang haben die Bergbauaktivitäten Kusum Tola zum Glück jedoch noch nicht erreicht.

Im August hat das Pollution Control Board des indischen Bundesstaates Jharkhand eine Anweisung zur Schließung von 22 Minen der Bharat Coking Coal Ltd. herausgegeben, einem Subunternehmen von Coal India Ltd. Dies ist bislang eine große Ausnahme, und obwohl diese Entscheidung sich auf eine andere Minengesellschaft und eine andere Region bezieht, stellt sie eine deutliche Warnung für alle Tagebauprojekte dar und könnte eventuell auch für Kusum Tola von Bedeutung sein.

Die Menschen in Kusum Tola und den vielen anderen Dörfern im Karanpura-Tal, die vom Bergbau bedroht werden, brauchen jedoch weiterhin starke internationale Unterstützung. Nur wiederholter Druck kann zu Ergebnissen führen. Auf Wunsch der Bewohner und ihrer Unterstützer ist die Dauer der Eilatkion daher bis zum 31. Dezember 2011 verlängert worden. Auch wer bereits teilgenommen hat, sollte durch ein neuerliches Schreiben den Druck auf die indischen Behörden erhöhen.

Für gentechnikfreie Landwirtschaft in Indien … Berlin/Brandenburg/ … Deutschland und Europa

Der Aufenthalt des indischen Öko-Aktivisten Jayakumar Chelaton in Deutschland war Anlass zu einer Veranstaltung des Gen-ethischen Netzwerks zusammen mit der BUKO, der Bundestagsfraktion Die Linke, dem Hof Apfeltraum und FIAN Berlin in den Räumen des GeN am 20. Mai 2010. Jayakumar berichtete über den langjährigen Kampf seiner Organisation Thanal gegen Gentechnik und Pestizide, wobei als Hauptgegner immer wieder Monsanto zu nennen war. Nebenbei er­fuh­ren die ca. 20 Zuhörer einiges über die Verhältnisse in sei­nem südindischen Bundesstaat Kerala, der sich als erster indischer Bundesstaat zur gentechnikfreien Zone erklärt hat. Leider ist dies die Ausnahme: 70–80% der in Indien angebauten Baumwolle ist heute gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle. Der Bt-Samen kostet 22€ statt 10€ für herkömmlichen Baumwollsamen – ein gutes Geschäft für die Samenhändler, aber zusätzliche Abhängigkeit für die Bauern. Dazu kommt der erhöhte  Pestizidbedarf für gentechnisch veränderte Pflanzen – der daraus entstehende Teufelskreis an Verschuldung treibt indische Bauern in den Selbstmord.

Da Gentechnik sich ja gerne als „wissenschaftlicher Fortschritt“ verkauft, arbeitet Thanal auch durch das Sammeln wissenschaftlicher Ergebnisse zu den Folgen des Gentechnikeinsatzes – unabhängige Forschung ist hier jedoch rar, nicht zuletzt, weil die von Monsanto vorgegebenen Lizenzbedingungen bei der Nutzung von Saatgut dies untersagen.

Beeindruckend war seine Schilderung der Artenvielfalt bei Nutzpflanzen: Es gibt 400 Mango-Sorten, 3000 Reissorten, 1600 Auberginensorten in Indien. In einem Tempel in Orissa wird den Göttern an jedem Tag des Jahres eine andere Reissorte geopfert. Diese Zahlen machen deutlich, welcher Reichtum der Natur durch eine uniforme industrialisierte Landwirtschaft zerstört wird. Dem gegenüber steht die auch in Indien verbreitete Auffassung von natürlichen Ressourcen als Gemeingut, „commons“, Allmende, was allen zur Verfügung steht, wo aber auch traditionelle Nutzungsregeln respektiert werden, die den langfristigen Erhalt der Ressourcen garantieren. Probleme können sich allerdings dadurch ergeben, dass die „commons“ dem Staat gehören und dieser sie dann etwa für agroindustrielle Nutzung umdefinieren kann.

Jatropha – der Wunderbusch? FIAN Berlin betreut neuen Fall in Indien

Längst sind Agrarkraftstoffe in die Kritik geraten, weil die Pflanzen, aus denen sie gewonnen werden, wertvolles Ackerland und Weideflächen vereinnahmen, die zur Versorgung der Menschen in den Produktionsländern dringend gebraucht würden. Dann plötzlich die scheinbare Lösung: Die Purgiernuss. Sie kann auch auf ausgelaugten Böden und ohne regelmäßige Niederschläge überleben, weshalb eine Flächenkonkurrenz zu Nahrungsmitteln angeblich nicht bestehe.

Die unter dem Fachnamen Jatropha curcas bekannte Pflanze stammt ursprünglich aus Mittelamerika, breitete sich durch Seefahrer jedoch bis nach Südamerika, Afrika und Asien aus und gilt heute als eine der effektivsten technisch nutzbaren Pflanzen. Diesen Ruf hat sie freilich nicht ihrer lokalen Nutzung als Abführmittel, für Seifen und Öllampen zu verdanken, sondern der Tatsache, dass aus dem Öl der giftigen Pflanze Agrartreibstoff gewonnen werden kann.

Jatrophaanbau in Indien

In Indien wird Jatropha schon seit Langem angepflanzt. Einerseits werden aus der Pflanze Dinge für den alltäglichen Gebrauch wie z. B. Lampenöl gewonnen, andererseits dient die Pflanze als Begrenzung für Weizen- und Reisfelder.

Wie in vielen Industrie- und Schwellenländern ist auch in Indien die Endlichkeit der Kraftstoffreserven als Problem erkannt worden. Die indische Regierung setzt daher frühzeitig auf so genannte erneuerbare Energien: Bis 2017 soll die Beimischungsquote von 20% erreicht werden. Angetrieben von dem Ziel, möglichst bald weitgehend unabhängig von Kraftstoffimporten zu sein, hat sich Indien zum weltweit größten Produktionsland von Pflanzenölen entwickelt. Dabei setzt auch das staatliche Biofuel Board des indischen Bundesstaates Uttarakhand besonders auf Jatropha .
Aufgabe des Biofuel Board ist es, die Gewinnung von Agrartreibstoffen zu fördern. Einerseits sollen bäuerliche Haushalte überzeugt werden, Pflanzen anzubauen, aus denen Treibstoffe gewonnen werden können. Dies soll vor allem mit Hilfe von Verträgen über Saatgutlieferungen und eine gesicherte Abnahme der Ernte gefördert werden. Andererseits wird der Agrartreibstoffsektor dadurch gefördert, dass entsprechende Energiepflanzen auf staatlichen Flächen, auf Waldfläche oder auf öffentlichem Gemeindeland (Panchayat land) angebaut werden.

Aktuell werden Regionalverwaltungen damit beauftragt, degradierte und qualitativ minderwertige Flächen zu ermitteln, die an Unternehmen, Dorfgemeinschaften und Gruppen verpachtet werden sollen, um Jatropha anzubauen. Diese Vorgänge beruhen auf dem Mythos, Jatropha könne auch ohne fruchtbares Land und mit wenig Wasser ertragreich angebaut werden. Tatsächlich braucht auch der Jatrophabusch ausreichend Nährstoffe und Wasser, um gute Erträge zu liefern. Selbst beim Anbau unter guten Bedingungen – beispielsweise auf den gut bewässerten und gedüngten Versuchsflächen des International Crops Research Institute for the Semi-Arid Tropics (ICRISAT) – dauert es jedoch etwa fünf Jahre bis zur Ernte der für den Agrartreibstoffproduktion verwendeten Jatropha-Nüsse. So warnt auch der Leiter der Jatrophaversuche am ICRISAT, Dr. Suhar P. Wani, davor, die Wirtschaft habe die Wissenschaft überholt. Um wirklich sicher zu gehen, dass der Anbau von Jatropha als Treibstoffquelle nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht, brauche es zunächst ausgiebige Forschung.

Diese Warnungen werden ignoriert. Einen klaren Ausschluss der Gebiete, die sich für Beweidung und Nahrungsmittelanbau eignen, geben die Bestimmungen, die der Landsuche der Regionalverwaltungen zu Grunde liegen, nicht her. Dreizehn Millionen Hektar so genanntes „wasteland“ (marginale Flächen) will der indische Staat gefunden haben. Auf dieser Fläche sollen in den kommenden Jahren Agrartreibstoffpflanzen angebaut werden. Das grundsätzliche Problem ist die Frage nach der Kategorisierung von Land in Indien. Waldgebiete dürfen explizit nicht als Ackerland benutzt werden. Diese Bestimmungen werden jedoch oft übergangen. Alternativ werden die Energiepflanzen als Bäume und somit als Wald definiert. Eine klare Definition und Eingrenzung des Begriffs „wasteland“ gibt es in Indien bisher nicht. So kommt es zu Landrechtskonflikten und Vertreibungen. Viele der 170 Mio. Landlosen in Indien, die auf die öffentlichen Gemeindeflächen angewiesen sind, um dort Brennholz zu sammeln oder ihr Vieh dort weiden zu lassen, sind von der Jatropha-Förderpolitik der indischen Regierung bedroht. Der Ausverkauf dieser Flächen für den Anbau von Jatropha hat fatale Konsequenzen für die Menschen. Hinzu kommt die Verschuldung kleinbäuerlicher Haushalte, die sich auf den Anbau von Jatropha einlassen, da die Pflanzen oft erst nach mehreren Jahren erste Erträge bringen.

Nicht nur die Eigenversorgung mit Agrartreibstoffen ist erklärtes Ziel der indischen Regierung. Auch ausländische Konzerne, die für den Export produzieren, kommen unter der indischen Agrartreibstoffpolitik auf ihre Kosten. So strebt beispielsweise das britische Unternehmen D1 Oil die Verarbeitung für den Weltmarkt an und setzt neben Pflanzungen in Afrika und Südamerika auch auf umfangreichen monokulturellen Anbau von Energiepflanzen in der Mehrzahl der 28 Bundesstaaten Indiens. Auch Archer Daniels Midland (ADM) aus den USA arbeitet zusammen mit seinem indischen Partner Tinna Oils & Chemicals Ltd. an der Herstellung von Jatropha-Diesel. Weitere Kooperationspartner von ADM sind die Daimler AG und Bayer CropScience, letztere Firma vor allem bei der Erforschung und Herstellung von Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden für den Jatrophaanbau. Ein weiterer Investor in den großflächigen Anbau der Jatrophapflanze ist das Unternehmen IKF Green Fuel, ein Tochterunternehmen der IKF Technologies aus Frankfurt/Main. Zusammen mit lokalen Firmen arbeitet IKF Green Fuel in den nordindischen Bundesstaaten Jarkhand und Orissa an Jatropha-Anpflanzungen auf 30.000 Hektar bis Ende 2009. Auch in weiteren 14 Bundesstaaten sind der Anbau und die Verarbeitung von Jatropha geplant.

Menschenrechtsverletzungen in Joligrant

Der Ort Joligrant liegt in Uttarakhand, einem relativ neuen Bundesstaat im Norden Indiens, der noch bis 2000 zu Uttar Pradesh gehörte. Die Bewohner/innen des Dorfes leben hauptsächlich von Viehhaltung zur Milchproduktion. Seit 2007 fördert die Regierung in Uttarakhand den Jatrophaanbau, v. a. in Waldgebieten. Das Dorf Joligrant verfügt über 767,5 ha landwirtschaftlich genutztes Land, 20 ha von der gewählten Gemeindeführung (Gran Panchayat) verwaltetes öffentliches Gemeindeland und 30 ha Waldgebiet. Sowohl auf den Gemeindeflächen als auch auf bisherigem Waldgebiet wurde Jatropha angepflanzt. Das Waldgebiet des Dorfes ist für das Leben der Menschen von Bedeutung, da es Feuerholz liefert und als Weidefläche besonders dem Vieh derer Weideflächen bietet, die nicht über eigenes Land verfügen. Letzteres gilt auch für das öffentliche Gemeindeland.

Aufgrund der negativen Auswirkungen auf ihre Lebensweise und ihre Nahrungsmittelversorgung hatten sich einige Dorfbewohner an FIAN Uttar Pradesh gewandt, um Unterstützung zu erhalten. Um auch über die Grenzen Indiens hinaus, in Deutschland – einem der Hauptimportländer von Agrartreibstoffen – ein Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Tankfüllungen in Industrieländern und Menschenrechts-verletzungen in Entwicklungsländern zu schaffen, hat die Berliner FIAN-Gruppe die Betreuung des Falls übernommen.
Die Forderungen, in denen FIAN die Dorfbewohner/innen unterstützt, sind:

  • Zugang zum Waldgebiet und zu den Gemeindeweideflächen
  • Keine Gefährdung der Ernährungssicherheit der Bevölkerung durch Jatrophaanbau
  • Entschädigung für die Familien, die bereits betroffen sind