Berlin, 12. Oktober 2010. Immer mehr Land in Entwicklungsländern wird für die Exportproduktion an Konzerne verpachtet oder verkauft. Auf die Gefahren des sogenannten „Landgrabbings“ für die Ernährungssicherheit haben heute anlässlich des Welternährungstags „Brot für die Welt“ und die Menschenrechtsorganisation FIAN in Berlin hingewiesen. Sie fordern, dass die einheimische Nahrungsmittelproduktion wieder Vorrang vor Profitinteressen erhält. Nur so kann die Zahl der Hungernden nachhaltig gesenkt werden.
„Wir verurteilen die Nutzung von fruchtbarem Land für die Produktion von Agrotreibstoffen“, sagt Mohamed Conteh von MADAM in Sierra Leone, einer Partnerorganisation von „Brot für die Welt“. „Agrotreibstoffe sind die Blutdiamanten der heutigen Zeit. Die Folge sind Menschenrechts-verletzungen.“ Conteh berichtete, dass alleine in Sierra Leone derzeit über die Pacht von ungefähr 1,5 Millionen Hektar Ackerland mit ausländischen Konzernen verhandelt werde. Er befürchtet, dass die Ernährungssicherheit von 17.000 Menschen im Norden des Landes durch ein Großprojekt gefährdet wird. Ein Bioenergie-Konzern aus der Schweiz will dort auf 58.000 Hektar Zuckerrohr und Maniok für die Ethanolherstellung anbauen. Conteh forderte seine Regierung auf, stattdessen Nahrungsmittel für die heimische Bevölkerung anzupflanzen.
Die Finanzkrise habe aktiv zu diesem Problem beigetragen, sagt Roman Herre, Agrarreferent bei FIAN. Für Investoren sei es derzeit attraktiv, in Rohstoffmärkte und die Landwirtschaft zu investieren. „Knappe Ressourcen und Hunger sind für Agrar-Investmentfonds Garanten für Gewinne“, so Herre. „Deutsche und europäische Fonds spielen dabei eine zentrale Rolle.“ Die Bedeutung solcher Fonds werde derzeit völlig unterschätzt.
Wohlhabende Staaten, Konzerne und Investmentgesellschaften sichern sich in bisher nicht gekanntem Ausmaß Ländereien. Allein zwischen Oktober 2008 und Juni 2009 wurde über insgesamt 46,6 Millionen Hektar Land verhandelt – das entspricht nahezu der Hälfte der Ackerfläche der Europäischen Union. Drei Viertel davon liegen in Afrika. Neben Nahrungsmitteln für den Export sollen auch Tierfutter und Energiepflanzen angebaut werden. Gleichzeitig müssen heute schon viele Länder wie Madagaskar, Kenia oder Sierra Leone selbst umfangreich Nahrungsmittel importieren.