Artikel zum Thema FIAN International

Wieder eine Gewalttat an einer Guarani-Anführerin

Foto Marinalva Manoel

Marinalva Manoel

Am Samstag, den 01.11.2014, wurde in Brasilien die Leiche der 27-jährigen Marinalva Manoel gefunden, einer Anführerin der indigenen Guarani-Kaiowá. Gerade hatte sie sich noch an Protesten der Indigenen in Brasiliens Hauptstadt beteiligt.

FIAN begleitet seit Jahren den Kampf der Guarani-Kaiowá um die Rückgabe ihrer angestammten Territorien, wie es die brasilianische Verfassung von 1988 festlegt, und für ein Ende der oft gewaltsamen Diskriminierung und menschenverachtenden Behandlung durch die Regierung und Teile der brasilianischen Gesellschaft.

FIAN International hat auf der Tagung des internationalen Vorstands in Vaalbeek (Belgien) von dieser neuerlichen Gewalttat erfahren. Als Protest haben die internationalen Delegierten einen gemeinsamen offenen Brief an die brasilianische Regierung verfasst, in dem ihre Bestürzung und Betroffenheit angesichts dieses neuerlichen Gewaltaktes gegen die Guarani-Kaiowá ausgedrückt wird. Es kann nicht hingenommen werden, dass die Anführer der Guarani-Kaiowá systematisch Todesdrohungen und Gewalt ausgesetzt sind, seit sie den Kampf um ihre traditionellen Territorien aufgenommen haben. Der Tod von Marinalva Manoel erinnert an die katastrophale Menschenrechtslage der Guarani-Kaiowá: die totale Straflosigkeit, mit der Morde und Gewaltakte gegen Indigene in Brasilien behandelt werden; der offene Aufruf zur Gewalt gegen Indigene in Teilen der brasilianischen ֖ffentlichkeit und Medien; die Tatsache, dass den Guarani-Kaiowá durch die fortwährende Untätigkeit des Staates die Rückgabe ihrer Territorien verweigert wird.

FIAN erwartet von der brasilianischen Regierung, dass sie ihre internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen auf allen Ebenen einhält, wozu auch die schnelle und gründliche Aufklärung dieser Mordtat gehört, sowie die Bestrafung der direkt und indirekt für diesen Gewaltakt Verantwortlichen. FIAN wird den Kampf der Guarani-Kaiowá für ihre Menschenrechte weiterhin unterstützen und Menschenrechtsverletzungen auf internationaler Ebene anklagen. Diese Forderungen wurden auch an die brasilianische Botschaft in Berlin übermittelt.

Link zur Original-Nachricht von FIAN International

Petition: Indigenenrechte müssen in Brasilien endlich umgesetzt werden!

 
Suzi Ozaki

Copyright: Suzi Ozaki

Die Rückgabe des Landes in die Hände der indigenen Gemeinden war in Brasilien zumindest auf dem Papier bis dato Chefsache: Die Präsidentin, aktuell Dilma Rousseff, ist demnach für die „Demarkierung“ dieser Länder zuständig. De facto ging die Neuverteilung dieses Landes nur schleppend voran. Eine geplante Gesetzesnovelle plant eine zusätzliche Verschlechterung der brasilianischen Land­verteilungspolitik: Danach soll die Demarkierung indigenen Landes nicht mehr durch die Staatspräsidentin erfolgen, sondern durch das Parlament. Das würde die Rückgabe des Landes noch mehr verzögern. Eine von FIAN unterstützte Petition will das verhindern.

Logo Petition PEC 215Die geplante Gesetzesnovelle mit dem Namen PEC 215 würde den Prozess der Landverteilung nicht nur durch Parlamentsdebatten unnötig in die Länge ziehen: Lobbyisten der mächtigen Soja-, Zuckerrohr- und Rinderzuchtindustrie könnten noch stärker als bis dato ihren Einfluss geltend machen, um eine gerechte Verteilung des Landes zu blockieren. Diesen Versuchen gilt es einen Riegel vorzuschieben: FIAN bittet Sie deshalb darum, die Petition gegen PEC 215 zu un­ter­zeichnen.

FIAN setzt sich seit Jahrzehnten für die Rechte indigener Gemeinschaften in Brasilien ein. Zu den betreuten Fällen gehört das Schicksal der Guarani-Kaiowá. Die Rechte der Guarani-Kaiowá stehen den Interessen der sich immer weiter ausbreitenden industriellen Landwirtschaft entgegen. Die Guarani-Kaiowá müssen dem Soja- und Zucker­rohr­an­bau und großflächiger Rinderzucht weichen. Statt auf ihrem traditionellen Land leben sie in Reservaten. Ein klarer Verstoß gegen das Menschenrecht auf Nahrung, denn in den Lagern kommt es zu Mangel- und Unterernährung, zum Teil mit Todesfolge.

Erst im Mai verpflichtete sich die brasilianische Regierung vor dem UN-Menschenrechtsrat zu konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Guarani-Kaiowá. Die Guarani-Kaiowá mussten jedoch in der Vergangenheit immer wieder erleben, dass solche Zusagen nicht eingehalten wurden. Der PEC 215-Entwurf verstärkt diesen Eindruck.
Hier der Link zur Petition gegen PEC 215: http://www.causaindigena.org/causaindigena_english.php

Die Unterschriftenaktion wurde Ende November 2012 beendet. Die mehr als 20.000 Unterschriften wurden am 4. Dezember 2012 in Brasília den brasilianischen Behörden und Regierungsvertretern übergeben. Mehr als 70 Indigenen-VertreterInnen waren dafür nach Brasília gereist, die größte Delegation entstammte den Guarani-Kaiowá. Die Unterschriftenaktion wurde u.a. von Noam Chomsky und Eduardo Galeano unterstützt.

60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – Zusatzprotokoll für ein Beschwerdeverfahren für soziale, wirtschaftliche und kulturelle Menschenrechte

Am 10. Dezember 1948 verlas Eleanor Roosevelt der Weltöffentlichkeit die soeben verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. In einer Situation der Krise, als nicht nur Europa, sondern auch das Vertrauen auf Sitte und Moral nach Nazi-Diktatur und 2. Weltkrieg zerstört waren und der Kalte Krieg sich abzuzeichnen begann, hat die UNO damals einen großen Schritt gewagt und emanzipatorische Rechte auf eine Art und Weise festgeschrieben, wie es heute wahrscheinlich kaum noch möglich wäre. Von daher war im Dezember Feiern angesagt, wenn auch mit dem nötigen kritischen Blick auf die Gegenwart.
Fest der Menschenrechte 2008Wir haben uns an zwei der Feierlichkeiten mit Infoständen beteiligt: bei der Veranstaltung des Forum Menschenrechte in der Französischen Friedrichstadtkirche unter dem Titel „Deutsche Verantwortung für Menschenrechtspolitik im In- und Ausland“ am 3.12. und an der Veranstaltung von Friedrich-Ebert-Stiftung und Amnesty International am 10.12. – letztere ganz hochoffiziell mit Kanzlerin und Außenminister.
Von Seiten der offiziellen Politik wird Menschenrechtspolitik meistens mit Blick auf andere Staaten verstanden – so auch in den Reden von Kanzlerin und Außenminister, im Fall der Kanzlerin noch verbunden mit einem Rückblick auf Menschenrechtsverletzungen zu DDR-Zeiten. Die zahlreichen Fälle von Verletzungen bürgerlich-politischer Menschenrechte in anderen Staaten der Welt sollen hier auch nicht kleingeredet werden. Aber unser FIAN-Blick geht weiter: er umfasst neben den bürgerlich-politischen vor allem die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte (WSK-Rechte), und er fragt nach der Verantwortung Deutschlands. Diese Verantwortung stand bei der Veranstaltung des Forums Menschenrechte im Vordergrund und wurde vor allem im Hinblick auf die Ausländer- und Flüchtlingspolitik thematisiert. Darüber hinaus war aber auch die weltweite Armut als die Verletzung grundlegender Menschenrechte ein Thema, nicht zuletzt durch die Vertreterin der nicaraguanischen NRO CENIDH, die u.a. über den im Dezember dem Menschenrechtsrat vorgelegten Parallelbericht zur Menschenrechtslage in Nicaragua berichtete. Diese Parallelberichte sind zivilgesellschaftliche Kommentare zu den offiziellen Staatenberichten, bei deren Erstellung FIAN oft Unterstützung leistet, so auch im Fall Nicaragua. Ganz im Zeichen der sozialen Menschenrechte stand auch der Abschluss¬vortrag von Uribe Muñoz, Jura-Professor und Menschenrechtsverteidiger aus Kolumbien.
Die WSK-Rechte finden sich bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – auf das Engagement des Kanadiers John Peters Humphrey zurückgehend, des damaligen Direktors der Menschenrechtsabteilung des Generalsekretariats. Trotzdem werden die sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechte oft als Menschenrechte zweiter Klasse behandelt. Doch zum 60. Jahrestag hat die UN-Generalversammlung die WSK-Rechte entscheidend gestärkt: Durch die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens haben Menschen, denen die WSK-Rechte auf nationaler Ebene verweigert werden, nun die Möglichkeit, sich direkt an die UNO zu wenden. Die Kampagne für ein Beschwerdeverfahren hatte FIAN schon 1991 ins Leben gerufen, im Laufe der Jahre schlossen sich mehr als hundert Organisationen der Kampagne an. Damit der Beschluss der Generalversammlung wirksam wird, muss er von mindestens 10 UN-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. FIAN hat gemeinsam mit Amnesty dazu eine Postkartenaktion gestartet, mit der die Bundesregierung zur Ratifizierung aufgefordert wird.
Auf beiden Veranstaltungen haben wir mit diesen Postkarten Unterschriften gesammelt.

Mehr zum Zusatzprotokoll über das Beschwerdeverfahren für WSK-Rechte (auf Englisch).